„Die Musik muss atmen“. Dieses Statement des renommierten klassischen Pianisten und Dirigenten András Schiff ist nicht nur Genre übergreifend zeitlos, es trifft genau die Intentionen des Pianisten Mike Herting. Dessen kommunikative Spielweise eröffnet im Fluss der Improvisationen viele Assoziationen und bringt vor allem eine persönliche Leidenschaft zum Glühen: eine nie nachlassende Hingabe an die Musik. Das spiegeln seine Kompositionen und Improvisationen in einer großen Bandbreite wider. Die ausgewählten Titel seiner ersten Solo-CD beschreibt Mike Herting wie folgt:
1) Mon Trésor
Das älteste Stück in dieser Sammlung, geschrieben 2011 für meine Frau Sabine, den großen Schatz in meinem Leben
2) Quiet Days
In den ersten Tagen der Coronakrise mit ihren Kontaktbeschränkungen war ganz Deutschland wie gelähmt. Obwohl die Situation für viele Menschen sehr schwierig war, gab es aber auch den Effekt der Verlangsamung, der bei vielen das ungewohnte aber willkommene Gefühl der Entspannung aufkommen ließ. „Quiet Days“...
3) Ocean Dream
Ich liebe es, ans Meer zu kommen und bin ein bisschen traurig, wenn ich die Küste verlassen muss. „Ocean Dream“ nimmt darauf Bezug und spiegelt das Meer mit seinen ständig wechselnden Stimmungen, großen Wellen, kleinen Wellen, Sturm, Windstille, den unterschiedlichen Farben des Wassers und des Horizonts...
4) Breathe
Eine einfache Komposition, die aus dem Wunsch entstand, durch eben diese Einfachheit zu wirken, fließend wie der Atem...
5) Surrender
Sein ganzes Leben lang kämpft man gegen alles mögliche innerhalb und außerhalb seiner selbst. „Surrender“ entstand aus dem Gefühl und dem Wunsch des Nachgebens, der Beendigung dieses Kampfes, den man nicht gewinnen kann und dessen Aufhören eine neue Freiheit ermöglichen könnte...
6) Casamance
Im Januar 2018 war ich gemeinsam mit dem deutsch-senegalesischen Perkussionisten Pape Samory Seck und dem großen mauretanischen Sänger Cheickh Lehbiadh eingeladen worden, auf dem „Festival de la Paix“ in der südsenegalesischen Region Casamance aufzutreten. Die Casamance ist ein wunderbarer Ort mit gastfreundlichen und warmherzigen Menschen; leider seit langem umstritten und nicht immer friedlich. Dieses Lied ist ein Geschenk an meine Freunde dort.
Inspiriert durch die langjährige Zusammenarbeit mit dem Saxofonisten Charlie Mariano beschäftigt sich der Pianist, Komponist und Arrangeur Mike Herting seit Jahrzehnten mit den verschiedensten Musikkulturen. Als Gastdirigent und Komponist der WDR Big Band Köln realisierte er u.a. das Projekt „Sketches of
Bangalore“ (2000) mit den Solisten Charlie Mariano, R.A. Ramamani, T.A.S. Mani und weiteren Solisten. Größere orchestrale Konzepte folgten mit dem Sai Symphony Projekt (2015), sowie mit Konzertprojekten mit dem Bujazzo in Indien (2011,2016), ebenso im Senegal und Guinea Bissau (2013). Regelmäßige Studien- und Musik- Aufenthalte in Westafrika förderten den weiteren Austausch, eben „das gegenseitige Durchdringen von Kreativität und Spiritualität im Spielprozess und schließlich die Lebensfreude, zu unterhalten.“
Text: Michael Brüning