"Was ich zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht wusste, was das alles an Entscheidungen und anderes auf Seiten der Gedenkstättenleitung mit sich zog, um überhaupt etwas realisieren zu können, weil alles, was ich vorhatte, nicht dem üblichen oder auch normalen Tagesablauf einer Gedenkstätte entsprach. Darüber haben dann anscheinend etliche Kommissionen, Ministerien und Gremien im Vorfeld beraten undentschieden."
Arthur erkennt den Umstand, dass man sich von Seiten der Ministerien und Gremien auf seine Installation einließ, vor allem dem ehemaligen Insassen (Referenten), Mitarbeiter sowie damaligen Direktor der Gedenkstätte Hubertus Knabe und dessen Stellvertreter Helmut Frauendorfer zu. Diese hatten sich beide immer wieder für die Umsetzung seiner Idee stark gemacht.
"In den 2 Monaten während des Aufbaus in der Gedenkstätte entstand dann eine sehr komplexe Rauminstallation, die sich über alle 6 ehemaligen Vernehmerzimmer erstreckte. Grundlage war der in allen Räumen ausgelegte Bleiboden, der von mir mit allem beschriftet wurde, was mir oder auch anderen zu diesem Zeitpunkt wichtig war. Das was sonst geschah, das kann ich schlecht in Worte fassen, da es weit über das hinausgeht, was zu erleben ist (jedenfalls für mich)."
Am späten Nachmittag des 13.09.2010 wird die Ausstellung in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen von Direktor Hubertus Knabe eröffnet.
"Während der Ausstellung kamen dann pro Monat so an die vierzigtausend Besucher, welche die Austellung, Installation besucht haben, wobei die Gesamtinstallation sich dann in einem stetigen Wandel befand. Der ausgelegte Bleiboden wurde dabei durch die Besucher abgenutzt und deformiert (abgetreten), wobei die an der Decke raumfüllend einzeln an Klammern hängenden Zeichungen von den sehr unterschiedlichen Besuchern entnommen und ersetzt wurden. Durch etwas, was den Besuchern selbst überlassen war. Für mich hatte das Ganze mit dem Prozeß des "Loslassens" zu tun. Die ganze Ausstellung wurde dann folgend um zwei Monate verlängert, vielleicht auch deshalb, weil alles eher ungewöhnlich war."
Mit dem Abschluss der Ausstellung beginnt ein zehnjähriger Prozess des Sammelns: Die gesamte Untersuchungshaftanstalt, 680 Räume, werden von Arthur vollständig digitalisiert. Es entstehen dreidimensionale Aufnahmen, unzählige Foto-, Video- und Tonarbeiten aus seiner eigenen Sicht.
"Zu dem Zeitpunkt war mir eigentlich auch garnicht klar, was ich mit dem dabei entstandenen ganzen Material machen werde. Ich hab einfach immer weitergemacht und gesammelt. Vielleicht auch eine Form des Abwartens, was passiert, was durch Zufall entsteht. Das Material, das alles dabei entstanden ist, war selbst für mich eigenartig, weil ich eigentlich nicht mehr darüber nachgedacht habe, wie oder warum ich das Ganze mache, sondern nur noch, wie ich alles schaffe, abarbeite, beim Abwarten, was eigentlich mit mir dabei passiert. Mein anfängliches Trauma ist während der 10 Jahre eigentlich sehr weit zurück gegangen, jedenfalls das, was man mir äußerlich ansehen kann. In meinen Kopf kann ja keiner reinkiecken."
Während dieser Zeit des Abwartens und Sammelns bleibt letztendlich ein Raum übrig:
"Bei den ganzen hunderten Räumen, die ich teils in den Nachtstunden alleine abgearbeit habe, gab es letztendlich nur einen einzigen Raum, der übrig geblieben ist, die im Keller des Gefängnisses befindliche schwarze Gummizelle, der Raum 2."
Die schwarze Gummizelle:
"Diese schwarze Gummizelle habe ich im Wesentlichen als Mensch, Betroffener oder als Künstler nie wirklich zu fassen bekommen. In keiner Art und Weise. Meine ganzen experimentellen Arbeiten in diesem Raum überschritten zu diesem Zeitpunkt bereits das, was man in einer Gedenkstätte machen kann, oder auch aus Anstand machen darf. Eigenlich der tiefste Raum an diesem Ort, mit der höchsten Form von Fremdbestimmung an Menschen. Da kam bei mir so um 2018 die Idee, der Gedanke hoch, das man den ganzen Raum im Prinzip aus dieser Gedenkstätte herausschneiden müsste um ihn an einem anderen Ort wieder hinzusetzen. Ja, einfach herausschneiden und transferieren."
Der "Beruhigungsverwahrraum" - die schwarze Gummizelle - sitzt im Kellergeschoss des Nordflügels von Berlin-Hohenschönhausen, der ehemaligen zentralen Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit der Deutschen Demokratischen Republik. Anfang 2019 beginnt Gvoon mit dem Nachbau in einer stillgelegten Werkhalle für Aufzugreparaturen. Dabei ist das Vorbild nicht die aktuelle Gummizelle, sondern vielmehr die Original-Zelle im Zustand von 1980/81, der Zeit Arthurs eigener Inhaftierung in der DDR.
"Was ich anfangs überhaupt nicht geahnt habe, welche Herausforderungen mich bei einem solchen Unterfangen erwarten werden. Zwar hatte ich von der schwarzen Gummizelle der Stasi hunderte Fotos, Videos und Tonaufnahmen in der Vergangenheit im Laufe der Jahre realisiert, aber nichts zu dem tatsächlichen technischen Aufbau sonderlich hinterfragt. Zu diesem Zweck habe ich dann im Vorfeld den ganzen Raum nochmal dreidimensional mit allen Details komplett technisch neu vermessen. Mit einer großen Formenlehre habe ich jedes einzelne der Elemente mit der Gummipolsterung vom Original als Form abgenommen und zusätzlich einzeln vermessen. Die waren und sind alle unterschiedlich breit, da sie seinerzeit individuell auf den Raum angepasst wurden. Auch die seinerzeit verwendeten Materialien, die Stärke und Beschaffenheit des verwendeten schwarzen Gummis, die Unterkonstruktionen des Ganzen, die Farbe und die Materialzusammensetzung des rötlichen Bodens bis hin zur Anzahl und der Beschaffenheit von Nägeln und anderem haben dabei eine Rolle gespielt. Selbst den Aufbau des Deckenlichtes und dessen Position im Raum spielten dabei eine tragende Rolle."
Zwei Jahre braucht er für diese Arbeit. Das Ergebnis ist nicht etwa eine Atrappe oder Kulisse, sondern ein massives Bauwerk - quasi herausgeschnitten aus dem Jahr 1981 und hineingesetzt in die leere Werkhalle.
"Ja dann, dann, wie alles fertig gebaut und zusammen gesetzt war, dann war ich das erste Mal ganz alleine innen, innen drin in der schwarzen Gummizelle an einem anderen Ort."
Vielleicht , ,, auch nur ein Raum , in dem ich immer sitze, , , auf meinem Hocker . . . . . . . ganz allein
Weiterführende Informationen zum gesamten Projekt "Innen" unter: https://www.gvoon.de/innen.html